Download Dieses Kapitel

Code in kategoriale Dokumentvariable transformieren

Bewertende Kategorien in der (qualitativen) Inhaltsanalyse

In vielen Forschungsprojekten werden Formen einer bewertenden Inhaltsanalyse eingesetzt. Diese laufen im Prinzip so ab, dass zunächst bewertende Kategorien mit in der Regel ordinalen Ausprägungen definiert, im nächsten Schritt Textstellen codiert und anschließend Auswertungen inklusiver deskriptiv-statistischer Analysen vorgenommen werden. Ein gutes Beispiel für diese Form des analytischen Vorgehens ist die von Philipp Mayring in seinem Buch „Qualitative Inhaltsanalyse“ beschriebene skalierende Variante der strukturierenden Inhaltsanalyse. In zusammengefasster Form findet sich auch eine Beschreibung in Mayrings FQS-Aufsatz „Qualitative Inhaltsanalyse“ (2000).

In dem von Mayring ausführlich vorgestellten Beispiel aus einer Studie über Referendarlehrer wird eine Kategorie „Selbstvertrauen“ mit drei Ausprägungen, nämlich „hoch“, „mittel“ und „niedrig“ definiert. Die Kategorien wurden am Material entwickelt – der folgenden Abbildung kann man entnehmen, dass die Kategorien und ihre Ausprägungen nicht nur präzise definiert, sondern auch mit Hilfe von aus dem Material stammenden, sogenannten Ankerbeispielen empirisch unterfüttert wurden.

KategorieDefinitionAnkerbeispieleKodierregeln
K1: hohes SelbstvertrauenHohe subjektive Gewissheit, mit der Anforderung gut fertig geworden zu sein, d.h.
- Klarheit über die Art der Anforderung und deren Bewältigung,
- Positives, hoffnungsvolles Gefühl beim Umgang mit der Anforderung,
- Überzeugung, die Bewältigung der Anforderung selbst in der Hand gehabt zu haben.
"Sicher hat's mal ein Problemchen gegeben, aber das wurde dann halt ausgeräumt, entweder von mir die Einsicht, oder vom Schüler, je nachdem, wer den Fehler gemacht hat. Fehler macht ja ein jeder." (17,23)

"Ja klar, Probleme gab's natürlich, aber zum Schluss hatten wir ein sehr gutes Verhältnis, hatten wir uns zusammengerauft." (27,33)
Alle drei Aspekte der Definition müssen in Richtung "hoch" weisen, es soll kein Aspekt auf nur mittleres Selbstvertrauen schließen lassen

Sonst Kodierung "mittleres S."
K2: mittleres SelbstvertrauenNur teilweise oder schwankende Gewissheit, mit der Anforderung gut fertig geworden zu sein"Ich hab mich da einigermaßen durchlaviert, aber es war oft eine Gratwanderung." (3,55)

"Mit der Zeit ist es etwas besser geworden, aber ob das an mir oder an den Umständen lag. Weiß ich nicht." 77, 20)
Wenn nicht alle drei Definitionsaspekte auf "hoch" oder "niedrig" schließen lassen
K3: niedriges SelbstvertrauenÜberzeugung, mit der Anforderung schlecht fertig geworden zu sein, d.h.
- wenig Klarheit über die Art der Anforderung,
- negatives, pessimistisches Gefühl beim Umgang mit der Anforderung,
- Überzeugung, den Umgang mit der Anforderung nicht selbst in der Hand gehabt zu haben.
"das hat mein Selbstvertrauen getroffen; da hab ich gemeint, ich bin eine Null – oder ein Minus." (5, 34)Alle drei Aspekte deuten auf niedriges Selbstvertrauen, auch keine Schwankungen erkennbar

Der für inhaltsanalytische Auswertungen obligatorische Codierprozess verläuft nun so, dass das gesamte Material durchgearbeitet wird und einschlägige Textstellen, d.h. solche, die sich auf die Kategorie „Selbstvertrauen“ beziehen, von den Codierenden bewertet werden. Das heißt, dass jeder einzelnen Textstelle, die einen Bezug zum Thema „Selbstvertrauen“ aufweist, auf der Basis des Codierleitfadens – in der Inhaltsanalyse auch Codebuch genannt – die Ausprägung „hoch“, „mittel“ oder „niedrig“ zugeordnet wird.

Abschließend wird für jeden Fall (das ist eine Person im Fall eines Interviews) eine Gesamteinschätzung vorgenommen und es wird entschieden, welche Ausprägung als summarische Charakterisierung des Selbstvertrauens dieser Person die richtige ist. Im weiteren Analysegang können dann Personen mit hohem Selbstvertrauen solchen mit niedrigen Selbstvertrauen gegenübergestellt werden. Auch lassen sich Häufigkeiten auszählen und ggf. auch Kreuztabellen mit anderen Kategorien erstellen.

Prinzip der Umsetzung mit MAXQDA

Bei der Umsetzung der Methode der bewertenden Inhaltsanalyse mit MAXQDA geht man so vor, dass man zunächst eine Kategorie „Selbstvertrauen“ mit den Subcodes „hoch“, „mittel“ und „niedrig“ im Codesystem definiert. Die Kategoriendefinitionen und geeignete Ankerbeispiele werden in Form von Code-Memos festgehalten.

Nun wird das Material durchgearbeitet, d.h. der erste Text wird bearbeitet und Zeile für Zeile durchgegangen. Die unter Kategorie „Selbstvertrauen“ fallenden Textteile werden identifiziert, markiert und mit der zutreffenden Ausprägung – z.B. hohes Selbstvertrauen – codiert. Wenn man einen bestimmten Text auf diese Weise von Beginn bis zum Ende durchgearbeitet hat, können folgende Situationen entstehen:

  • Es gibt eine oder mehrere Textstellen zu „Selbstvertrauen“, die alle mit der gleichen Ausprägung – z. B. „mittleres Selbstvertrauen“ – codiert wurden. In diesem Fall ist es nur folgerichtig, dem gesamten Fall die entsprechende Ausprägung – hier „mittleres Selbstvertrauen“ – zuzuordnen.
  • Es gibt eine oder mehrere Textstellen, die aber nicht mit der gleichen Ausprägung codiert wurden (z. B. drei Textstellen mit „mittleres Selbstvertrauen“ und eine Stelle mit „hohes Selbstvertrauen“). In diesem Fall ist es naheliegend, dem gesamten Fall diejenige Ausprägung zuzuordnen, die am häufigsten zugeordnet wurde.
  • Es gibt eine oder mehrere Textstellen, die nicht mit der gleichen Ausprägung codiert wurden, wobei keine eindeutige Tendenz festzustellen ist (z.B. zwei Stellen mit „mittleres Selbstvertrauen“ und zwei Stellen mit „hohes Selbstvertrauen“). In diesem Fall kann keine eindeutige Zuordnung für den ganzen Fall qua Automatik erfolgen, sondern die entsprechenden Textstellen müssen zunächst gegenübergestellt werden und es muss daraufhin von den Codierenden entschieden werden, welche Ausprägung als summarisches Urteil richtigerweise zugeordnet wird.
  • Es gibt keine Textstelle, die mit einer der Ausprägungen von Selbstvertrauen codiert wurden, d.h. der gesamte Text enthält keine Hinweise auf die Ausprägung des Selbstvertrauens dieser Person. Somit ist dem Fall auch keine Gesamteinschätzung zuzuordnen, sondern das „Selbstvertrauen“ bleibt nicht erschließbar und muss in nachfolgenden Analysen als fehlender Wert behandelt werden.

Die Funktion „In kategoriale Variablen transformieren“

Nach dem Codieren der einschlägigen Textstellen wird die Option In kategoriale Variable transformieren bei dem entsprechenden Code im Kontextmenü angeklickt.

Aufruf der Funktion „in kategoriale Variablen transformieren“ aus dem Kontextmenü

Nach Aufruf der Funktion geht MAXQDA folgendermaßen vor:

  1. In der „Liste der Dokumentvariablen“ wird eine neue kategoriale Variable mit dem Namen der betreffenden Kategorie – hier also „Selbstvertrauen“ – erzeugt.
  2. Alle Fälle der „Liste der Dokumente“ werden evaluiert, wobei im Prinzip so vorgegangen wird, wie oben beschrieben wurde. Das bedeutet:
    1. dem Fall wird diejenige Ausprägung zugeordnet, die bei diesem Fall am häufigsten codiert wurde
    2. wurden mehrere Ausprägungen gleich häufig codiert, wird der Variablenwert der kategorialen Variable „Selbstvertrauen“ auf „nicht definiert“ gesetzt, d.h. die Codierenden müssen die entsprechenden Textstellen noch einmal inspizieren und dann auf dieser Basis selbst eine Entscheidung vornehmen (oder es bei dem „nicht definiert“ belassen)
    3. wenn im betreffenden Text keine Textstelle zu dieser Kategorie codiert wurde – also nichts zum Thema „Selbstvertrauen“ enthalten ist – dann wird der Wert der kategorialen Variablen leer gelassen. Dies wird später üblicherweise von Statistikprogrammen als fehlender Wert behandelt.
  3. Direkt nach der Erstellung wird der „Dateneditor für Dokumentvariablen“ geöffnet:
Dateneditor mit neuer kategorialer Variable „Selbstvertrauen“
Hinweis: Wenn ein Subcode weitere Untercodes hat, bleiben diese und ihre Codierungen bei der Auswertung für die kategoriale Variable außen vor. Es werden also nur die direkten Subcodes eines Codes, der in eine kategoriale Variable transformiert wurde, berücksichtigt.

Dynamische Eigenschaft kategorialer Variablen

In der „Liste der Dokumentvariablen“ von MAXQDA haben die kategorialen Variablen einen besonderen Status. Sie sind am grünen Symbol in der ersten Spalte erkennbar und führen, wie die folgende Bildschirmabbildung zeigt, die Herkunftsbezeichnung „Code“ (Spaltenüberschrift: Quelle); kategoriale Variablen werden als Text-Variable definiert, d.h. die Bezeichnungen der Ausprägungen werden aus dem Codesystem übernommen.

Neu erzeugte kategoriale Variable „Selbstvertrauen“ in der „Liste der Dokumentvariablen“

Kategoriale Variablen sind dynamisch, d.h. sie ändern ihren Wert, wenn man in Dokumenten weitere Codierungen vornimmt. Wurde bspw. der Wert „nicht definiert“ der Variable „Selbstvertrauen“ zugeordnet, weil zwei Textstellen mit „hohes Selbstvertrauen“ und ebenso zwei Stellen mit „mittleres Selbstvertrauen“ codiert wurden, so müssen die Textstellen erneut durchgelesen werden, um zu einer Entscheidung über den resultierenden Variablenwert – entweder „hoch“ oder „mittel“ – zu kommen. Ändert man nun die Codierung einer Textstelle von „hoch“ zu „mittel“ ab, erfolgt automatisch eine Neuanpassung des zugeordneten Variablenwerts. Dieser wird automatisch von „nicht definiert“ auf „mittel“ gesetzt.

Tipp: Es empfiehlt sich, für die Subcodes unterschiedliche Farben vorzusehen, z.B. grün= „Selbstvertrauen hoch“, gelb = „Selbstvertrauen mittel“ und rot = „Selbstvertrauen niedrig“. Schaltet man nun in der Spalte mit den Codierstreifen die Option Codierte Textstellen in Farbe ein, dann lassen sich bei einem erneuten Materialdurchgang sehr schnell die zu inspizierenden Textstellen finden.

Kategoriale Variablen im Kontext der Mixed-Methods-Funktionen

Kategoriale Variablen lassen sich hervorragend in Kombination mit den Mixed-Methods-Funktionen von MAXQDA nutzen. Dies beginnt bereits mit der Funktion Aktiviere Dokumente via Variablen, die es bspw. ermöglicht, sich nur die Textstellen der Personen mit einer bestimmten Ausprägung des Selbstvertrauens anzusehen, etwa um der Forschungsfrage nachzugehen „Wie erleben Referendar*innen mit geringem Selbstvertrauen die Situation an der Schule? Wie gehen Sie mit Disziplinproblemen um?“

Mit der Funktion Kreuztabellen lässt sich ein aggregierter Überblick über die Anzahl der Codierungen bei anderen Kategorien des Kategoriensystems in Abhängigkeit von der Einstufung des Selbstvertrauens erhalten. Die Ausprägungen des Selbstvertrauens werden dabei in den Spalten dargestellt. Mit einem Mausklick kann man zu den gewissermaßen hinter den Zahlen liegenden Textsegmenten gelangen und bewirken, dass alle zugehörigen Textstellen in der „Liste der codierten Segmente“ zusammengestellt werden.

Mit der Funktion Segmentmatrix erhält man eine detaillierte tabellarische Darstellung, in der im Unterschied zur Kreuztabelle nicht nur die Anzahl der jeweiligen codierten Segmente angegeben wird, sondern der Text der Segmente ausgegeben wird.

Die Funktion Typologietabelle ist ähnlich wie die Kreuztabelle aufgebaut, d.h. auch hier sind die Ausprägungen der kategorialen Variablen in den Spalten dargestellt. Nun werden aber nicht die Kategorien ausgewertet, sondern die Variablen. Man kann so etwa erfahren, wie viel Prozent der Personen mit hohem Selbstvertrauen älter als 30 sind; ob gute Noten im Staatsexamen in Beziehung zum Selbstvertrauen stehen; wie hoch das Durchschnittsalter nach Selbstvertrauenstyp ist etc.

War diese Seite hilfreich?